Offener Brief an die Deutsche Post in Freiburg
An die Teams von Deutsche Post, Caritas und Jobcenter in Freiburg Berlin, 22.03.2021
Jobcenter Freiburg - Lehener Str. 77, 79106 Freiburg im Breisgau
Caritas Freiburg - Herrenstraße 6, 79098 Freiburg im Breisgau
Deutsche Post Freiburg – Habsburgerstrasse 105, 79104 Freiburg im Breisgau
Dieser offene Brief ist als Stellungnahme zu den jeweiligen Reaktionen auf den ersten offenen Brief zu verstehen, in dem wir Rassismus gegenüber Herrn Michael Z. und den mangelhaften Umgang damit beanstandeten. Wir weisen abermals darauf hin, dass wir uns vorbehalten sämtliche Kommunikation in der Angelegenheit öffentlich zu machen – da wir öffentliches Interesse davon berührt sehen. Die Adressat:innen sind dieselben, wie die des ersten offenen Briefes vom 15. Januar 2021.
Leider hat die Deutsche Post in Freiburg nicht auf unseren offenen Brief vom 15. Januar reagiert, was aus unserer Sicht ein Statement darüber ist, dass Rassismus innerhalb der Deutschen Post in Freiburg nicht als Problem erkannt werden will.
Dazu muss auch noch mal zurückgeschaut werden auf die Situation, die Herrn Z. verletzt hat und ihn veranlasst hat, sich außerhalb der beteiligten Institutionen zu beschweren. Es geht um ein Beratungsgespräch, veranlasst im Rahmen einer Maßnahme vom Jobcenter Freiburg – organisiert durch die Trägerin Caritas mit Mitteln des Jobcenters – und realisiert durch einen Caritas Sozialarbeiter und einen als ehrenamtlich bei der Caritas beratenden Personaler der Deutschen Post.
Herr Z. bekam ein sehr unmissverständliches Angebot für eine Arbeitsstelle. Aber für die Vermittlung in diese Arbeit wurde dann eine einschränkende Bedingung genannt, nämlich er müsse damit „klarkommen“, bei der Ausübung dieser Arbeit bei der Deutschen Post von (allgemein gehalten) Kolleg:innen schon mal mit dem N-Wort angesprochen zu werden.
Abgesehen von der unermesslichen Unprofessionalität, so einen Satz in so einem Kontext von Beratung zu sagen, abgesehen von der Hierarchie, die zusätzlich in dieser Beratungssituation herrscht und die diesem Satz mit der Macht der Position noch viel mehr Gewicht verleiht, abgesehen von der Normalisierung einer rassistischen Aussage, welche wiederum auch einen allgemeinen gesellschaftlichen Schaden anrichtet zusätzlich zu dem persönlichen Schaden, den Herr Z. genommen hat in der Situation….
….muss hier einfach verstanden werden, dass es hier um das Zusammenwirken und Zusammen-versagen von Behörde, privatem jedoch öffentlich finanziertem Träger der Wohlfahrt und privatisiertem aber ehemals öffentlichen Unternehmen geht. 3 Strukturen, die alle bundesweit bekannt, etabliert und einflussreich sind, juristische Abteilungen haben, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für ihre Imagepflege betreiben und Belegschaften haben, die bundesweit in die zehntausende und Hunderttausende gehen. Das Machtgefälle zwischen Herrn Z. auf der einen Seite und den Apparaten, die hier involviert sind auf der anderen Seite, ist enorm!
Dass dieser ehrenamtlich beratende Personaler so reden konnte, weist darauf hin, dass er keine verbindlichen Vorgaben durch die Caritas erhalten hat. Keinen Code of Conduct, keine Schulung, kein Briefing, keinen Lehrgang, etc. Denn das, was da passiert ist, dass in einer Beratung durch eine offizielle Trägerin Rassismus so plakativ ausgeübt wird, das kann in seiner Tragweite gar nicht überschätzt werden.
Wenn eine Fluggesellschaft ein Flugzeug von A nach B geflogen bekommen will, dann legt sie diese Aufgabe in die Hände von Pilot:innen. Und eine soziale Trägerin, die Menschen – meistens welche, die in einer Not sind, die von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen und stigmatisiert sind – beraten möchte, damit sie wieder Fuß fassen, legt diese Arbeit in die Hände von Menschen, die sensibel und wohlwollend sind, die ein Bewusstsein für die Ausschlüsse und Stigmata besitzen, von denen diese Personen betroffen sind.
Die korrekte Behandlung der Menschen, die Achtung der Würde jeder Person – muss zentrale Aufgabe sein, neben der Erfassung von Daten, Profilen und dem Bedienen von Eingabemasken, um passende Stellenangebote heraus zu filtern. Ein:e Pilot:in saß hier jedenfalls nicht am Steuer des Flugzeugs. Und in ein Flugzeug, das nicht von Pilot:innen geflogen wird, steigt keine:r ein. Es darf auch gar nicht erst starten!
Wir möchten es noch mal ganz deutlich sagen: Das was da passierte, ist keine Bagatelle. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Leitungen aller involvierten Stellen angemessen entschuldigen – schriftlich natürlich und unter ausdrücklicher Benennung der Situation. Dies ist die absolut notwendige Bedingung.
Aber der Schaden muss darüber hinaus repariert werden.
Die Worte können nicht mehr ungesagt gemacht werden. Der Zustand ist nicht herstellbar. Eine Entschuldigung ist unabdingbar, aber unzureichend. Deswegen haben wir eine Entschädigung gefordert für Herrn Z.. Und deswegen wiederholen wir diese Forderung hiermit.
Wir sind eigentlich sehr zuversichtlich, dass Sie bei eingehender Prüfung der Situation und bei einer eingehenden Gewissensprüfung als Einzelpersonen, die von der Angelegenheit berührt sind innerhalb dieser großen Strukturen – ob in der Pressestelle, oder in der Leitung, oder auch woanders – zu dem Ergebnis kommen werden, dass der Vorfall einer Entschädigung bedarf. Und zwar auch völlig unabhängig von irgendeiner gesetzlichen Grundlage.
Wir fordern Sie hiermit auf, Herrn Z. mit der Summe von 10.000€ zu entschädigen.
Wir sind auch sehr zuversichtlich, dass Sie als Einzelpersonen Rassismus ablehnen und rassistische Diskriminierung auch. Die Antworten von der Caritas und vom Jobcenter beteuern das jedenfalls.
Die Bundespressestelle der Deutschen Post allerdings betreibt Täter-Opfer-Umkehr und stellt in ihrer Reaktion auf unsere als offener Brief gekennzeichnete Mail Herrn Z. als Lügner dar – anscheinend hat sich da niemand auch nur die Mühe gemacht, mal mit den anderen involvierten Institutionen Kontakt aufzunehmen, dann wäre bekannt geworden, dass an der zugrundeliegenden Situation keine Zweifel bestehen und dass diese auch von Caritas und Jobcenter nicht bestritten wird. Der Konflikt besteht darin, was ein angemessener Umgang damit ist.
Umso unglaubwürdiger die Reaktion der Deutschen Post. Und diese Vorgehensweise steht für eine Bagatellisierung und demonstriert, mit welcher Zuversicht in die juristische und finanzielle und institutionelle Überlegenheit gegenüber dem Individuum Michael Z. davon ausgegangen wird, dass das eine ausreichende Reaktion ist.
Der Verweis auf eine diverse Belegschaft, auf die internationale Vernetzung des Unternehmens sind Sätze, die vielleicht in irgendeinem Diversity-Management-Setting erarbeitet wurden, die aber für die Rassismuserfahrung von Herrn Z. irrelevant sind und streng genommen Teil des typischen Abwehr-Reaktionen-Katalogs. Die Analyse, in welchen Segmenten der Beschäftigung bei Post, Caritas und Jobcenter überproportional viele Schwarze Personen und/oder Personen of Color arbeiten und wo besonders wenige, sparen wir uns jetzt.
Nun ist also diese Verletzung passiert und zwar so massiv und grob und fahrlässig und schwerwiegend, dass es ja in der Konsequenz auch Ihnen ein Anliegen sein müsste, gar keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass Sie die Beteuerungen, die Sie schreiben, auch ernst meinen.
Umso irritierender ist es dann natürlich, dass in den Antworten auf die eigentliche Kernforderung in unserem offenen Brief nicht eingegangen wird. Es wirkt leider neben den Beteuerungen so, als wolle man eine lästige Angelegenheit schnell loswerden. Ihr Anliegen sollte ja aber sein, den Schaden zu reparieren und daran zu arbeiten, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.
Wir vermissen in dieser Angelegenheit auch jegliche Hinweise für Herrn Z., was das regelmäßige Prozedere ist, dass in solchen Fällen greift. Es scheint so, als gäbe es kein Bewusstsein für mögliche Verletzungen, Fehlverhalten und Verstöße gegen allgemeinen Anstand, Respekt und Würde.
Im Gegenteil, die Pressestelle der Post erlaubt sich, die Regelung von Rassismus dem „Zustellalltag“ zu überlassen, eben als würde es sich dabei um eine Bagatelle handeln.
Daher möchten wir zusätzlich zu unserer ersten Forderung der Entschädigung eine zweite Forderung anschließen und Sie auffordern,
- uns bekannt zu machen, welche Maßnahmen, Leitlinien, Fortbildungen oder Verhaltensregeln Sie für die Beratungen und den Umgang mit den Menschen, die zu Ihnen kommen, entwickelt haben oder installiert haben,
- uns bekannt zu machen, wo diese veröffentlicht, einsehbar, zugänglich sind,
- uns bekannt zu machen, wie Ihr Qualitätsmanagement bezüglich der Umsetzung dieser Regelwerke gestaltet ist und
- welche die regelmäßig und institutionell verankerten Rückmelde- und Beschwerdewege sind, die Sie für die Fälle von Verstößen gegen diese Regelwerke vorgesehen und installiert haben.
Natürlich schließt sich daran die Forderung an, dass im Falle fehlender Ansprachesysteme in Ihrer Struktur (das gilt für alle hier angesprochenen Institutionen und Unternehmen) solche Ansprachesysteme dringend und unverzüglich entwickelt, eingesetzt und zur Verfügung gestellt werden.
Wir möchten Sie höflichst auffordern, keine weiteren Relativierungen vorzunehmen, sondern konkret auf die hier aufgeworfenen Vorwürfe und die Forderungen einzugehen.
Mit antirassistischen Grüßen &
Peace!
Der Bundesvorstand